Interview mit Carl Duisberg Mitarbeiter Omid Quraishi aus Afghanistan

„Erst die Sprache, dann die Arbeit.“

Omid ist vor zwei Jahren als Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Seit ca. einem Jahr arbeitet er als Kundenbetreuer für Deutschkurse im Carl Duisberg Centrum Berlin. Im Interview erzählt er von seinen Erfahrungen, Herausforderungen und Hoffnungen für die Zukunft. 

1. Was waren deine ersten Eindrücke von Deutschland?

Alle waren sehr freundlich, aber es war für mich aufgrund meiner Fluchterfahrungen und der schlechten Erinnerungen sehr schwer am Anfang. Aber ich hatte eine hohe Motivation die Sprache zu lernen: Ich wollte zeigen, dass ich in Deutschland ein Leben aufbauen möchte, hier arbeiten und leben möchte.

Mein Aufenthaltsstatus war anfangs unklar, ich wusste nicht, ob mein Asylantrag anerkannt wird. Letztendlich bekam ich einen positiven Bescheid, so dass ich als anerkannter Flüchtling eine Arbeitserlaubnis bekam.

2. Wie bist du zu den Carl Duisberg Centren gekommen und in welcher Position arbeitest du im Centrum Berlin?

Die Carl Duisberg Centren kannte ich bereits über die Integrationskurse. Über eine Stellenausschreibung für einen Bundesfreiwilligendienst bin ich ins Centrum Berlin gekommen und habe dort sechs Monate Bundesfreiwilligendienst an der Rezeption geleistet. Zu dem Zeitpunkt hatte ich lediglich Sprachniveau A1, so dass mein Hauptziel war, die Sprache zu lernen. Ich habe an der Rezeption mit einer Kollegin zusammengearbeitet, die mir sehr geholfen hat und durch die ich meine Deutschkenntnisse schnell erweitern konnte. 

Nach Beendigung meines Bundesfreiwilligendienstes habe ich direkt ein Jobangebot bekommen und bin seit August 2024 als Kundenbetreuer für Deutschkurse in einer Festanstellung. Die Aufgaben dort passen auch gut zu meinem Studium der Betriebswirtschaft (Business Administration / Management), das ich in Afghanistan absolviert habe. Dieses wurde anfangs in Deutschland nicht anerkannt, weshalb meine Motivation sehr hoch war, Deutsch zu lernen. Mittlerweile ist mein Studium durch die Kultusministerkonferenz anerkannt worden.

3. Wie erlebst du das Arbeiten bei den Carl Duisberg Centren und was gefällt dir besonders?

Ich habe sehr viel Glück gehabt: Ich habe tolle Kollegen, die mich super eingearbeitet haben und viel Geduld haben. Es ist eine sehr gute Stimmung im Team, alle sind sehr freundlich und hilfsbereit. 

Die Arbeit macht Spaß, wir haben jede Woche viele internationale Teilnehmer, die bei uns Deutschkurse besuchen. Ich habe Mitgefühl mit den Teilnehmern, da ich selber erlebt habe, wie man sich am Anfang in einem fremden Land ohne Sprachkenntnisse fühlt. Unsere Arbeit ist wichtig, wir helfen Menschen, über die Sprache in Deutschland anzukommen und eine Zukunft aufzubauen.

4. Wann hast du angefangen, Deutsch zu lernen?

Ich habe vor fast zwei Jahren komplett bei Null angefangen, ich konnte vorher als Fremdsprache nur Englisch. Ich habe zunächst einen Integrationskurs Deutsch vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) bis Level B1 absolviert und anschießend den Orientierungskurs „Leben in Deutschland“ (Themen: Deutsche Geschichte, Demokratie, Wirtschaft und Politik) besucht. In beiden Kursen musste ich am Ende einen Abschlusstest absolvieren, beide habe ich mit „sehr gut“ abgeschlossen.

Das darauffolgende Angebot für das Sprachniveau B2 habe ich zunächst nicht genutzt, da ich neben meiner Arbeit keine Zeit hatte. Ohne einen weiteren Kurs habe ich damit zwar „offiziell“ mit dem Deutschlernen aufgehört, aber durch die Arbeit mit den Kollegen, den Kunden und den Agenturen habe ich sehr schnell Deutsch gelernt. Ich habe auch immer zu Hause viele Bücher gelesen.  

Das B2 Niveau habe ich somit auch ohne Sprachkurs erreicht, so dass ich dann direkt die Prüfung für B2 bei den Carl Duisberg Centren abgelegt habe. 

5. Welche Tipps kannst du Deutschlernenden geben?

Das Wichtigste ist, zunächst die Sprache zu lernen – ohne die Sprache kommt man nicht weiter, man findet keine Wohnung und vor allem keine gute Arbeit. 

Viele Schüler kommen oft nicht zum Unterricht, sie wollen lieber direkt jobben und etwas Geld verdienen (das geht auch mit Englisch), aber das ist meiner Meinung nach nicht gut. Ich empfehle allen, sich in den ersten sechs Monaten nur mit der Sprache zu beschäftigen, danach kann man sich eine gute Arbeit suchen.

Der Aufwand ist hoch – es ist viel Arbeit, man muss viel Zeit investieren, regelmäßig zu den Kursen gehen und auch zu Hause viel lernen – der Unterricht alleine reicht nicht.  Besonders hilft es, Freundschaften zu knüpfen und sich mit Muttersprachlern zu treffen.

6. Wie sieht dein Leben in Berlin aus?

Am Anfang war es sehr schwer, eine Wohnung in Berlin zu finden, und ich musste drei bis vier Monate auf die Berechtigung zur Teilnahme am einen Integrationskurs warten, habe aber während dieser Zeit selber schon Deutsch gelernt. Als ich dann den Einstufungstest für die Deutschkurse gemacht habe, konnte ich direkt zwei Sprachlevels überspringen.

Das Leben in Berlin ist sehr gut und macht Spaß. Ich wohne sehr zentral, das Nachtleben ist toll, man kann auch sonntags einkaufen. Der Öffentliche Verkehr ist sehr gut, auch, wenn die U-Bahn nicht immer pünktlich ist. 

Das Leben in Deutschland ist kein Vergleich zum Leben in Afghanistan, es ist viel besser und vor allem sicherer. Es war nicht einfach, aber ich hatte sehr viel Glück: Ich habe bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht, ich habe tolle Menschen getroffen, gute Freunde und eine gute Arbeit gefunden. 

7. Welche Ziele hast du?

Mein nächstes Ziel ist, die Prüfung für das C1 Zertifikat abzulegen und mich einbürgern zu lassen. Ich wollte eigentlich die Turbo-Einbürgerung nach 3 Jahren machen, der Bundestag hat jedoch vor kurzem die Abschaffung beschlossen, so dass jetzt eine Mindestaufenthaltsdauer von 5 Jahren gilt. 

Aber das ist auch in Ordnung. Ein stabiles C1 Niveau ist nicht leicht zu erreichen, und jetzt habe ich genug Zeit, mich darauf vorzubereiten. In der Grammatik bin ich zwar schon gut – dabei hat mir geholfen, dass ich bereits Englisch unterrichtet habe – aber mir fehlen noch viele Wörter. Meine Motivation ist wegen des Ziels der Einbürgerung hoch, und durch die Arbeit lerne ich schnell. 

Ich hatte immer den Wunsch, gut ausgebildet zu sein – wenn ich Zeit und Geld genug habe, möchte ich noch meinen Master in Deutschland machen. Es gibt in Deutschland viel mehr Fächer und Möglichkeiten als in Afghanistan. Ich habe bereits zwei Semester im Masterstudium in Afghanistan studiert, musste dann aber das Land verlassen.

Ich habe mich noch nicht endgültig entschieden, was ich machen werden – jetzt lerne ich erst einmal weiter Deutsch, um das C1 Zertifikat abzulegen.

Vielen Dank Omid, wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg!